Verstaatlichung des Netzes? Wohl kaum, aber …

Foto: Tekniska museetCC BY 2.0
Foto: Tekniska museetCC BY 2.0

Immer wieder mal hört man die Forderung nach einer Verstaatlichung der Netze beziehungsweise des Internets. Das klingt auch immer wieder mal naheliegend – etwa wegen kommerziellen Datenschindluders oder gefährdeter Netzneutralität. Und es erscheint auch immer wieder mal plausibel. Denn das Internet wird nun mal von privatwirtschaftlichen Global-Giganten wie Google, Amazon, Apple, Microsoft und Facebook beherrscht, denen man nicht trauen, aber so manches zutrauen sollte.

Die Frage ist: Wie sollte das mit der Verstaatlichung konkret gehen? Soll der Staat die dicken Datenkabel, Rechenzentren, Serverfarmen, Satelliten und Sendemasten bundesoffiziell annektieren? Soll er sämtliche Internetprovider und jeden Server-Betreiber den föderalen Behörden als Zweigstellen zuordnen? Soll er jegliche internetfähigen Geräte, Services, Apps und Transaktionen amtlich zulassungspflichtig machen?

Wohl kaum. Das würde uns zurückwerfen in Zeiten, als der Anschluss eines nicht von der Post stammenden Telefonapparats an die heimische, versiegelte Telefondose – und das ist kein Witz – bei hoher Strafe verboten war. Zudem mag man sich die Schlangen vor etwaigen Smartphone-Zulassungsstellen oder Domain-Bürgerämtern gar nicht vorstellen…

Gegen eine Verstaatlichung des Netzes sprechen unter anderem dessen dezentrale Strukturen und unendlichen Räume. Es gibt nicht das eine Netzwerk, das eine dicke Kabel, die eine Serverzentrale, die eine Internet-Bastille, die man entweder verstaatlicht oder stürmt. Es sind viele tausende und abertausende Knoten.

Gewiss, es gibt eine Art zentralisiertes, globales Katasteramt für die Zuteilung virtueller Grundstücke, zumindest deren Namen und Nummern. Und erst kürzlich ließ dieses als ICANN bekannte, bislang US-amerikanisch dominierte „Amt“ verlauten, dass es zukünftig von einem international besetzten Gremium nach Vorbild der UNO geleitet werden soll, also überstaatlich. Zudem gibt es lokale „Zulassungsbehörden“ – in Deutschland die halbstaatliche Denic, die Domain-Namen zentralisiert verwaltet.

Doch was die so „registrierten“ Domain-Namen-Inhaber virtuell bauen, und vor allem wie groß sie bauen, ist per se offen. Das Netz der Netze ist weder geografisch begrenzt, wie Bodenfläche oder Luftraum, noch physikalisch limitiert, wie Funkfrequenzen. Es ist eher ein vierdimensionales Bauland, das sich mit jeder neuen Domain permanent ausdehnt. Und das fürwahr „bis in die Unendlichkeit – und noch viel weiter!“  Tja, und in diesen unergründlichen Weiten hätte es eine ordentliche Bauaufsicht nicht nur schwer – sondern wohl noch schwerer als in Griechenland.

So ist es nachvollziehbar, dass der Staat auf zentrale Versorgungungspunkte und sensible Schnittstellen – sagen wir – Zugriff haben will, beispielsweise auf Kraftwerke, den Luftraum oder Landesgrenzen; oder auf zentrale Datenverbindungskabel nach Übersee und deren Adduktoren. (Ob so ein Zugriff jedoch ausreicht, um außer Kontrolle gerate Schnüffeleien von Geheimdiensten abzuwehren, ist eine andere Baustelle.) Eine Verstaatlichung, womöglich der gesamten Infrastrukturen ist vielleicht vorstellbar, aber nicht machbar. (Eine gesetzlich geregelte Netzneutralität hingegen schon.)

Man kann das Netz überwachen und speichern – und wer will, kann es auch ausdrucken. Man kann für den Netzverkehr Regeln definieren, Regeln verhandeln und Regelverstöße ahnden. Aber dieses dezentrale, vierdimensionale Netz verstaatlichen? Das schaffen am Ende nicht mal Diktaturen (und Wladimir Putin auch nicht).

Doch jenseits eines (un)möglichen Staatsnet könnten für Schland dennoch staatliche Internet-Dienste und Angebote richtig gedacht sein: etwa öffentlich-rechtliche Internet-Provider, öffentlich-rechtliche Suchmaschinen und Web-Verzeichnisse oder öffentlich-rechtliche Cloud-Services.

Sie könnten Zugang und Teilhabe am digitalen Leben ermöglichen, die der Bundesgerichtshof in einem jüngeren Urteil als eine moderne Lebensgrundlage unserer Gesellschaft eingestuft hat. Mehr noch: derlei staatliche Zugangs- und Teilhabe-Services könnten, umgesetzt mit Open Source und Open Access, einen alternativen Weg zu mehr Transparenz und mehr Vertrauenswürdigkeit ebnen. Auch wenn dieser Weg kein leichter sein wird.

Klar, das kann man in vieler Hinsicht für utopisch halten – doch das waren öffentliche Bibliotheken und Archive, Volkshochschulen und für jeden zugängliche Universitäten einst auch mal. Klar, man kann öffentliche Bibliotheken belächeln. Doch im Grunde sind sie eine Errungenschaft und ein hohes gesellschaftliches Gut. Und sie verwenden – soweit ich weiß – die Ausleih-Historie ihrer Nutzer nicht weiter, geschweige denn verkaufen sie (Amazon, Facebook oder Apple würde wohl einiges dafür geben…). Immerhin.

Nein, kein Staastnetz, kein Datenstraßenverkehrsamt und keine Internetfahrzeugzulassungsstelle. Doch öffentlich-rechtliche Surf-o-theken und Open-Bürger-Cloud-Services – warum eigentlich nicht?

Dies ist ein Crosspost eines Beitrages, der am 21.3.2014 auf iRighjts.info erschien]

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