Vermutlich setzt sich die oft zitierte Vision vom „papierlosen Büro“ doch langsam durch. Doch womöglich wächst mit jeder weiteren Digitalisierung unseres Kommunikations- und Medienalltags – sozusagen in umgekehrter Proportionalität – die Sehnsucht nach genau dem, was wir mit großem Eifer in Geräte und Wolken verbannen: Papier.
So zumindest – vielleicht aber auch ganz anders – erklärt sich die Häufung des Motivs „Papierflieger“ für Logos und Icons in digitalen Welten. Die ist mir vor ein paar Monaten erstmals aufgefallen, und ich fing an zu sammeln und die Augen offen zu halten. Sehr häufig sind es Anbieter von Mail-Programmen, wie Airmail, Yousendit, Sparrow und Share sowie Mail-Designer (für E-Mail-Layouts) – und nicht zuletzt das kleine Icon für den Ordner „Gesendet“ innerhalb Apples Mail-Prgramm; oder auch (Datei-)Versender, wie der Website-basierte Rechnungs-Service billomat.
Ein zumindest Logo-historisch interessantes Pärchen sind die beiden Papierflieger von „softhansa“ und „softhansa consulting“ – für mich persönlich ganz besonders.
Zunächst, weil ihre Entstehung nun schon rund 25 Jahre her ist. Damals gründeten die (West-)Berliner Informatiker Kolja Becker und Ronald Steinhau (mein Bruder) die kleine Software-Firma „softhansa“. In Kooperation mit dem Grafikdesigner Karl Wesker entstand das Logo mit der Papiertaube.
Warum gerade eine Papiertaube? Zum einen der einfachen Form halber: so einfach wie ein Papierflieger sollte auch die Software zu bedienen sein. Zum anderen in Anlehnung an die Assoziation Flugzeug , die der Name softhansa (an „Lufthansa“ erinnernd) ja auch weckte. Als ein paar Jahre später mit der Beratungsfirma „softhansa consulting“ ein Spin-off gegründet wurde (bei der ich dann eine Zeit lang als technischer Redakteur und im Marketing mitarbeitete), bekam der Papierflieger einen Schatten. Eine ebenso simple wie überzeugende Lösung, um Zusammengehörigkeit und Unterschiedlichkeit beider Firmen zu repräsentieren, finde ich. Jedenfalls kann das 1988 geborene softhansa-Icon als echter Vorreiter in Sachen Papierflieger-Logos gelten, soweit ich das bis dato recherchiert habe. Denn die weiteren oben gezeugten Icons mit Papierflugzeugen stammen mehrheitlich aus diesem Jahrtausend, abgesehen von Apples „Gesendet“-Icon, doch das ist ja eben kein Programm- oder Marken-Logo.
Bemerkenswert finde ich, dass mit neobooks ein Online-Verlags- und Buchvertriebs-Service mit der Papiertaube im Logo agiert. Während E-Mails in der Regel auf eine oder wenige Seiten Papier passen und es bei Ihnen auf rasche Übermittlung ankommt – somit der Papierflieger eine passende Metapher ist – verbinde ich mit Büchern weit mehr Papier, Gewicht und gar nicht so viel Tempo … naja.
Für die freshpages – wie die Online-Bibliothek der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) ihr Angebot betitelt – gilt ähnliches: Der Papierflieger könnte vermuten lassen, dass sich eher Loseblatt-Quellen im Bibliotheks-Bestand befinden als Bücher. Stimmt aber gar nicht (ich arbeite seit 2011 auch als freier Lehrbeauftragter bei der MHMK Berlin).
Dass der Papierflieger als solcher irgendwie den Zeitgeist trifft und die anfangs beschriebene Sehnsucht nach echtem Papier bedient, oder besser: „beflügelt“, drückt sich dann in folgenden Beispielen aus. So gibt es mit „Glider“ und My Paper Plane (mindestens) zwei kleine Spiele-Apps, bei denen die Spieler ihre Flieger durch mehrere Ebenen (Level) manövrieren müssen.
Aktualisierung: Spiele, Spiele, Spiele und Bastelanleitungen im iTunes AppStore (Auswahl):
Bei Design-Services, wie Designspiration, Bilder-Sammlungen und Portfoilio-Sites wie dribble finden sich längst zahlreiche Vorlagen, Arbeiten und Vorzeige-Beispiele – und werden offenbar auch direkt und indirekt genutzt – siehe die gestrichelte Linie als visualisierte Flugbahn.
Beispielsweise in dieser Anzeige für ein neues Buch:
Mit dem in San Francisco beheimateten Bekleidungs-Geschäft und -label Benny Gold ist der Papierflieger auch als Logo außerhalb digitaler Sphären gelandet.
Je nach dessen internationalem Wachstum könnte das den Boom der Papierflieger womöglich dämpfen, sofern es sich als „Benny Gold“ Markenzeichen tatsächlich breit durchsetzt. Keine Label-Marke, dafür aber eine ganze Kollektion mit Papierfliegern entwarf das Berliner Mode-Team Silberfischer. Sieht doch ganz nett aus.
Wie gut die Papiertaube als Icon funktioniert, lässt sich (auch) gut an der Umsetzung als Favicon ablesen, weil diese miniaturisierte Version eines Ions im Wortsinne wenig Raum für gestalterische Opulenz lässt.
Schlussbemerkung: Bisher war ich beim Einsammeln der Papierflieger-Logos nicht auf Vollständigkeit aus. An mir sind garantiert dutzende weiterer Beispiele, aus fremden Branchen und entfernten Gegenden, einfach vorbei gesaust. Doch mein Sammler-Instinkt schlägt bei so etwas gerne mal an, von daher bin ich für Hinweise durchaus empfänglich und dankbar. Und irgendwie hat dieses Ding Papierflieger ja auch etwas Geheimnisvolles, das mich womöglich noch etwas länger beschäftigt.
Für den ultimativen Außendrang – oder auch bei Tennisarm-ähnlichen Beschwerden von zu vielen Würfen – ist der folgende Apparillo genau das Richtige: Eine Papierflieger-Abschussrampe – wuuuuusch!!
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