Diese international besetzte Podiumsrunde „Zahlen, Bitte!“ des tazlab/Freitag-Fabrik-Medienkongresses brachte eine schlichte, jedoch positiv wertbare Erkenntnis: Es gibt sie, die funktionierenden Bezahlmodelle für journalistische Online-Inhalte – es gilt, sie weiterhin durchzuhalten.
„Müsste Flattr nicht mal eine Marketingkampagne starten?“
Flattr, die Erfindung des schwedischen Programmierers Peter Sunde (dem der zwiespältige Ruf als „Pirate Bay“-Macher nur noch dann nachhängt, wenn Moderatoren das Publikum daran erinnern), hat sich mittlerweile festgesetzt, bei Bloggern oder auch Verlags-Webseiten, wie der von der taz. Und in Deutschland, so Peter Sunde, werde Flattr weltweit am meisten genutzt. Gewiss, gab Sunde zu, die freiwilligen Mikrozahlungen jener, die ein Flattr-Konto einrichten und befüllen, brächten derzeit nur geringe monatliche Einnahmen für jene, die ihre Inhalte als „flattr-bar“ markieren – mitunter nur Euro-Cent- oder einstellige Eurobeträge für Einzelne, rund 2000 Euro für die taz. Doch sowohl der Flattr-Mechanismus, als auch das Abrechnungs-System würden angenommen und funktionieren gut – auch für das Flattr-Team selbst, ein gutes Dutzend Programmierer, dass sich für seine Arbeit 10 Prozent der zu verteilenden Flattr-Einzahlungen abzwackt und damit offenbar auch wirtschaftlich klarkommt.
„Was mich bei Flattr stört“, so der für die Online-Produkte des Axel Springer-Verlags verantwortliche Georg Konjovic, „ist zum einen, dass ich nicht weiss, welchen Euro-Betrag ich pro Flattr-Klick konkret vergebe, da ich erst Ende des Monats die entsprechenden Abrechnungszahlen sehe.“ Ihm wäre lieber, die exakte Höhe jedes Flattr-Klicks bestimmen oder zumindest sehen zu können. Zum anderen betrachte er das „Flattern“ als eine Spende und nicht als Bezahlung, was sich unverbindlicher und distanzierter anfühle. Diese Bedenken teilte Sunde nicht wirklich, verteidigte die momentane Flattr-Systematik. Es müsste eben nur noch wachsen, dann würden diese Fragen in den Hintergrund treten. „Flattr kennen noch viel zu wenig“, warf eine Zuschauerin dann ein, „müssten Sie nicht mal eine Marketingkampagne starten?“ Genau das wollen sie als nächstes tun, antwortete Sunde, doch bei Flattr würden ausschliesslich Programmierer arbeiten – und für die wäre Werbung etwas völlig Neues, da müssten sie sich erst rantasten. (Viel Spaß beim Abarbeiten der nun bestimmt noch zahlreicher eintreffenden Akquise-Anfragen von Agenturen, Herr Sunde ;-)
mediapart.fr: Originäre, kostenpflichtige Online-Zeitung mit derzeit rund 47.000 Abonnenten, die 9 Euro pro Monat oder 80 Euro im Jahr zahlen
Auch das von der Französin Geraldine Delacroix vorgestellte Projekt „Mediapart“ funktioniert, sogar vergleichsweise prächtig. Mediapart ist ein reine Online-Zeitung, die sich dem klassischen nachrichtlichen, aufklärenden, investigativen Journalismus verschrieben hat und die nur zahlende Nutzer lesen können, kostenlos gibt es so gut wie gar nichts. Seit ihrem Start im Dezember 2007 konnten die Macher rund 47.000 Abonnenten gewinnen – die 9 Euro pro Monat oder 80 Euro im Jahr zahlen – und den Umsatz auf über 420.000 Euro monatlich steigern. Mittlerweile schreibt die Zeitung schwarze Zahlen. Besonders hilfreich war dabei ein „Scoop“ während der Betancourt-Affäre im Juli 2010, bei dem Mediapart an eminent wichtige Unterlagen kam – und so einen enormen Sog auf ihre Webseite herstellen konnte, allen Bezahlschranken zum Trotz. Auf die Zuschauer-Frage, wer die offenbar fähigen Mediapart-Journalisten und -Mitarbeiter denn in der mehrjährigen Anlaufphase bezahlt habe, drückte sich Madam Delacroix etwas umständlich aus. „Im Prinzip Stiftungen, und die meisten beteiligten Journalisten waren durchaus wohlhabend“, klärte Moderator und taz-Online-Leiter Matthias Urbach dann auf. Kurzum: In Frankreich gibt es Journalisten, die mit Gönnern und eigenem Kapital ins Risiko gehen und ihre harte Arbeit verkaufen, statt sie ins Netz zu schenken oder an raffgierige Verlage unter Wert zu verhökern – die sie dann zum Teil wieder ins Netz schenken. Das ist doch eine gute Nachricht.
Warum das in Deutschland mit der Netzeitung nicht funktioniert hat, die ja auch eine reine Online-Tageszeitung war (und momentan als automatisiertes News-Portal ein erbärmliches Dasein fristet), hätte nun die Frage lauten können. Fragte leider keiner. Doch ein Unterschied von Netzeitung zu Mediapart ist schon mal der: Die Netzeitung verschenkte ihre Arbeit und hoffte, sich erst Reichweite und dann Werbekunden zu erarbeiten. Mediapart verkauft seine Inhalte und erarbeitete sich Abonnenten. Der Scoop war der Lohn guter Arbeit und ein Turbo für den Zuspruch, und nun ist sie da, die Reichweite. Ca va!
Springer-Verlag: Bis Dezember 2010 rund 530.000 Online-Produkte verkauft, bei über 810.000 Downloads der entsprechenden Apps
Schliesslich zeigte das Panel, dass auch die Bezahlmodelle für Online-Inhalte von Axel Springer-Verlag und taz funktionieren, so oder so. Der Springer-Manager offerierte Zahlen (die seit Dezember 2010 bekannt sind), wonach bis Dezember 2010 über 530.000 Online-Produkte verkauft wurden, bei über 810.000 Downloads der entsprechenden Apps, vornehmlich für iPhone und iPad, dazu eBooks und ähnliches. Wann sich also die Investitionen des Verlages in die kostenpflichtigen Online-Ableger von Bild, Auto-Bild und Welt sowie in originäre Digital-Publikationen, wie „Iconist“ amortisieren, rechnen, als gewinnbringend in den Geschäftsberichten stehen, scheint nur eine Frage der Zeit. So jedenfalls die Springer-typishce, selbstgewisse Tonlage von Georg Konjovic. Springer sei auf dem richtigen Weg, die Leser folgen und sind bereit zu zahlen, und so weiter und so weiter. Glaube ich sogar alles. Mir stellte sich die Frage, wann der Springer-Verlag so weit ist, seine gedruckten Produkte, etwa der ganzen Bild-Familie, in der analogen Welt zu verschenken, sie als Marketing für die kostenpflichtigen Online-Produkte und -Services zu betrachten. Ich wage mal eine Prognose und sage: Im Jahr 2014 ist es soweit; und der Verlag hält seine jetzige Online-Strategie bis dahin auch so gut wie unverändert durch.
„taz zahl ich“: Noch ein Weg, die taz’ler via Spende für ihre verschenkten Online-Inhalte zu be-lohnen
„taz zahl ich“ heisst die neueste Kampagne der tageszeitung, um ihre Leser, Freunde, Fans und Verbündete zum Bezahlen der Online-Inhalte zu bewegen. Sehr früh ans Netz gegangen, ist die Online-taz bis heute kostenlos – und für den genossenschaftlichen Verlag damit ein vermutlich nicht unerhebliches Zuschuss-Geschäft. Oder aber ein Service an die Kern-Leserschaft, die ja durch Abonnement-Gebühren, Genossenschaftsanteile, Umsätze im taz-Shop, Spenden und weitere Zuwendungen die taz am Leben erhält. Der taz-Online-Leiter trägt die „taz zahl ich“-Kampagne zwar im taz-typischen „bitte-mitmachen-sonst-geht’s-hier-bald-nicht-weiter“-Tonfall vor. Doch an sich ist davon auszugehen, dass auch diese zusätzliche „Donationware“-Variante ihren Anteil dazu beiträgt, die taz als auf Spenden und guten Willen basierendes journalistisches Produkt und genossenschaftliche Identitäts-Stiftung zu erhalten. Sie muss nur durchhalten.
Fazit: Das Panel zeigte, dass die „Online-Content-will-keiner-bezahlen-Jammerei“ immer weniger Substanz hat. Ob Bezahlschranke, Genossenschafts-Kollekte oder Euro-Cent-Flattereien, es gibt viele Möglichkeiten für den Handschlag eines fairen Digital-Deals mit den Online-Lesern, die journalistische Produkte wollen. Es funktioniert – ihr müsst durchhalten.