Digital-Verleger Muders: „E-Books werden den ganzen Markt der Taschenbücher abdecken“

Text-E-Books verkaufen sich um ein vielfaches besser als Multimedia-Titel und die größten Hemmnisse des E-Book-Markts sind die Vielzahl der Dateiformate und der Kopierschutz – sagt der Bremer Friedel Muders, Gründer und Geschäftsführer des Verlags Fuego. Im Interview mit mir für iRights.info legt er Verkaufszahlen und -erlöse offen, erläutert Produktionsprozesse und spricht über die Zukunft des E-Book-Marktes. 

Friedel Muders, Gründer und Geschäftsführer von Fuego. Foto: Fuego
Friedel Muders, Gründer und Geschäftsführer von Fuego. Foto: Fuego

iRights.info: Seit wann verlegen Sie E-Books?

Friedel Muders: Unser erstes E-Book haben wir 2010 herausgebracht. Es heißt „Unverarschbar“ und ist der erste Roman des Musikers Martell Beigang. Er veröffentlicht seine Musik auf unserem Musiklabel – daher kannten wir ihn und erwarben die E-Book-Rechte an seinem Buch.

iRights.info: Fuego ist also eigentlich ein Musiklabel?

Friedel Muders: Auch das kam später. Wir starteten Ende der 1970er Jahre als Designbüro und gestalteten Schallplatten- und CD-Cover für Musikgruppen. Mit der Digitalisierung weiteten wir unsere Geschäftsfeld auf komplette Webseiten und DVD-Authoring für Bands und Musiker aus. Als um das Jahr 2000 der große Einbruch für die Musikindustrie erfolgte, gab es bei den Labels kaum noch Etats für die Gestaltung von Musikprojekten. Da wir keine Designs für Immobilienmakler oder Autohäuser machen wollten, ergriffen wir die Gelegenheit, nutzten unsere guten Kontakte zu 30 Jahren deutscher Musikgeschichte und gründeten 2004 eines der ersten rein digitalen Musiklabel.

iRights.info: War der Einstieg ins E-Book-Geschäft eher eine Gelegenheit – oder gut überlegte Entscheidung?

Friedel Muders: Eher Letzteres. Aus unseren Erfahrungen in der Musikbranche wissen wir, dass digitaler Vertrieb zwar eine finanzielle Gefahr bedeutet – aber auch die Zukunft darstellt. Genau aus diesem Grund starteten wir 2010 die E-Book-Edition. Das erfolgte ganz bewusst aufgrund der Überlegung, dass diese beiden Standbeine – Musik und Bücher – sich notfalls gegenseitig subventionieren könnten.

Zudem wissen wir aus dem langjährigen Geschäft mit dem Musikvertrieb, dass es im Digitalgeschäft überlebenswichtig ist, einen großen Katalog zu haben. Deshalb gingen wir von Beginn an Kooperationen mit einigen Printverlagen ein, von denen wir E-Book-Lizenzen übernahmen. So kamen wir auch zum Titel „Harold“ des Autors Einzlkind, der in der Druckversion bei der Berliner Edition Tiamat erscheint und bis heute unser am besten verkauftes E-Book ist.

iRights.info: Worauf fokussiert Ihr verlegerisches Programm?

Friedel Muders: Am Anfang war geplant, schwerpunktmäßig Bücher über Musik und Popkulturthemen zu veröffentlichen. Inzwischen ist das Repertoire nicht mehr richtig eingrenzbar. Das liegt vor allem an den Autoren, die über alles mögliche schreiben, dies dann aber gerne weiter bei uns veröffentlichen möchten.

iRights.info: Wie viele E-Book-Titel bietet Fuego derzeit an – und wie viele sind gerade in Planung oder in Arbeit?

Friedel Muders: Vier Jahre nach dem Start sind es derzeit 110 E-Books, konkret in der Vorbereitung sind etwa weitere 30 Manuskripte.

iRights.info: Das ist für diesen Zeitraum eine beachtliche Menge für einen kleinen Verlag. Wie laufen denn die Produktionen bei Ihnen ab?

Friedel Muders: Wir suchen uns ganz gezielt vor allem vergriffene Bücher und Autoren aus, die bei uns persönlich mit ihrem Werk auf irgendeine Weise Eindruck hinterlassen haben und versuchen diese dann zu kontaktieren. Es dauert oft lange, bis die E-Book-Rechte an einem Titel geklärt sind, die Vorlage fertig gemacht ist und veröffentlicht werden kann. Wir haben mehrere Projekte, die fast zwei Jahre für Recherche und Verhandlungen in Anspruch nahmen.

iRights.info: Woran liegt das?

Friedel Muders: Das hat mehrere Gründe. Beispielsweise liegen die Rechte von verstorbenen Autoren bei den Nachlassverwaltern, die man erst finden muss. Einige ältere Autoren sind extrem langsam und vorsichtig bei den Verträgen. Bei ausländischen Autoren, zu denen wir Kontakt suchen, müssen wir auch die deutschen Übersetzer in die Rechteklärung einbinden.

iRights.info: Wie viel Arbeit fließt in die Manuskript-Bearbeitung, Gestaltung und Produktausstattung?

Friedel Muders: Bei unseren Veröffentlichungen gibt es ganz unterschiedliche Projekte und Materialvorlagen. Im Idealfall erhalten wir vom Autor ein fertig gesetztes und redigiertes Word-Manuskript. In der Realität ist dies aber fast nie der Fall. Die wenigsten Manuskripte sind absatzorientiert aufbereitet, was die Voraussetzung für das E-Book-Format ist. Das heißt, hier gibt es in der Regel einiges an den Texten zu tun.

Dazu kommt, dass es einer unserer Schwerpunkte ist, vergriffene Bücher wieder zu veröffentlichen, von denen es keine digitalen Vorlagen gibt. Hierbei scannen wir die Buchseiten ein und wandeln sie via OCR-Software in digitale Texte um. Anschließend sind nach unserer Erfahrung mindestens drei Korrekturdurchgänge erforderlich, um alle falsch interpretierten Buchstabenumwandlungen zu erfassen und ein möglichst fehlerfreies E-Book zu erzeugen. Gerade diese Umwandlungen und Bearbeitungen sind sehr arbeits- und zeitintensiv.

iRights.info: Beschränken Sie sich auf reine Text-Bücher?

Friedel Muders: Nein, wir haben auch einige sehr aufwendige Multimedia-E-Books gemacht, mit Audio, Video, Fotos und Text. Da ist etwa Iko Andreas „Die Reise in einem Cocktailshaker“, das es für 9,99 Euro mit 90 Minuten Video und der Musik eines ganzen CD-Albums gibt. Allerdings stehen hier den 683 verkauften Exemplaren der reinen Textversion ganze 13 Verkäufe der Multimedia-Version gegenüber. Und wir können sagen, dass das Ergebnis bei all unseren Multimedia-E-Books ähnlich ist. Unsere Erfahrung ist also, dass die Leser vor allem Text-Bücher möchten.

iRights.info: Welche Titel sind Ihre Bestseller – und was heißt das in Stückzahlen?

Friedel Muders: Mit Stand erstes Halbjahr 2014 haben wir folgende fünf Titel am besten verkauft:

  1. Den bereits erwähnten im Dezember 2010 veröffentlichten Titel „Harold“ von Einzlkind, und zwar 999 Stück für jeweils 7,99 Euro Verkaufspreis.
  2. „Die Reise in einem Cocktailshaker“ (Text-Edition) von Iko Andrae, seit September 2012 insgesamt 683 Stück zu 4,99 Euro.
  3. „Das Geschäft mit der Musik“ von Berthold Seliger, seit Oktober 2013 insgesamt 334 Stück zu 14,99 Euro.
  4. „Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon?“ von Wiglaf Droste, seit April 2012 insgesamt 235 Stück zu 7,49 Euro.
  5. „Das war’s – Letzte Worte von Charles Bukowski“ von Gundolf S. Freyermuth, seit September 2011 insgesamt 233 Stück zu 4,99 Euro

iRights.info: Was kommt von den Verkaufseinnahmen bei Ihnen als Verlag und bei den Autoren an?

Friedel Muders: Apple und Amazon nehmen sich zur Zeit 30 Prozent von den Endpreisen als Marge. Die digitalen Vertriebe, welche die Online-Shops von Amazon, Apple und so weiter beliefern – wie beispielsweise Zebralution oder Bookwire – nehmen für Auslieferung und Inkasso so etwa 20 bis 25 Prozent. Die verbleibenden 45 bis 50 Prozent der Einnahmen teilen wir uns als Verlag mit den Autoren genau 50 zu 50. Das heißt, bei einem E-Book, das 9,99 Euro kostet, erhalten im vorliegenden Fall Autor und Verlag jeweils 2,35 Euro.

Bei Tolino und einigen anderen Plattformen, die ihre Shops in Kooperation mit Unterhändlern betreiben, beträgt deren Marge 50 Prozent vom Endpreis – plus die Prozente für den Digitalvertrieb. In diesem Fall erhalten Autor und Verlag für das genannte Beispiel jeweils 1,68 Euro. Zudem testen wir gerade „Streaming“-Anbieter wie Skoobe, dem aktuell ersten kommerziellen Verleiher mit einem Flatrate-Modell, vergleichbar mit Spotify in der Musik. Mit Skoobe erzielen wir nach unserer letzten Abrechnung eine Beteiligung von etwa 11 Prozent des Endverkaufspreises, womit bei Verlag und Autor hier jeweils 0,57 Euro ankommen.

Allerdings muss man zum Vergleich erwähnen, dass ein Autor bei einem gedruckten Buch vom Verlag im Durchschnitt etwa 10 Prozent vom Verlaufspreis erhält, in unserem Beispiel also 0,99 Euro.

iRights.info: Über welche Vertriebsplattformen verkaufen sich die Fuego-E-Books am besten?

Friedel Muders: 60 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit Amazon. Das ist schon eine starke Abhängigkeit. Mit iTunes kamen wir den vergangenen Jahren immer auf zirka 25 Prozent, doch seit Anfang 2014 hat die Apple-Plattform extrem zu Gunsten der Tolino-Allianz eingebüßt (Thalia, Weltbild, Hugendubel, Bertelsmann, Bücher.de, T-Online). Mit Tolino erzielen wir nun rund 15 Prozent unserer Umsätze und iTunes liegt jetzt auf dem dritten Platz mit 10 bis 12 Prozent. Danach kommen die Stadtbibliotheken mit ihren E-Book-Verleihen und Skoobe als kommerzieller Verleiher mit einem Flatrate-Geschäftsmodell, mit jeweils fünf Prozent Umsatzanteil. Alle anderen Shops zusammen machen dann noch einen Anteil von zirka drei Prozent unseres Umsatzes.

iRights.info: Verkauft Fuego seine E-Books auch direkt auf eigenen Webseiten?

Friedel Muders: Einen Direktvertrieb beziehungsweise einen eigenen Fuego-Shop gibt es zur Zeit nicht. Wir denken, die Leute müssen dort unsere Bücher finden, wo sie auch sonst ihre „Topseller“ kaufen. Für die meisten ist die Hemmschwelle, sich für einen Kauf bei einem kleinen Shop anzumelden, zu groß. Außerdem würde das unsere Administrationskosten erhöhen. Unsere Abrechnungssoftware ist derzeit nur auf den Vertrieb angepasst und nicht auf Eigenverkäufe, für die wir zumindest Paypal und Kreditkartenabrechnungen berücksichtigen müssten.

iRights.info: Es sind ja neue E-Book-Plattformen in der Entwicklung oder im Testbetrieb, wie Log.osSobooks und andere. Was müssten solche Anbieter konkret an Margen bieten und Diensten leisten, damit Fuego seine E-Books dort hineinstellt?

Friedel Muders: Wir beobachten das. Wenn es um den reinen Abverkauf geht, sehen wir solche Plattformen als ein Feld für unsere Vertriebspartner. Sie übernehmen die Abrechnungen und können aus ihrer Sicht am besten entscheiden, welche neuen Plattformen für sie und damit für uns lukrativ oder erfolgsversprechend sein könnten.

iRights.info: Wohin entwickelt sich Ihrer Meinung nach der E-Book-Markt?

Friedel Muders: Ich denke, dass E-Books langfristig den ganzen Markt der Taschenbücher abdecken werden. Wir dachten zwar, dass dies schneller geht, aber wir glauben fest daran, dass dies kommt. Ein Hemmschuh ist etwa der unübersichtliche Markt der Lesegeräte und die Kritik der Verlage am Monopol von Amazon, was aber nur zu Verzögerungen führt, den Wechsel zu E-Books aber nicht aufhält.

Das digitale Format ist für kleinere Projekte, für Tests und für Independent-Autoren ideal. Wenn sie es selbst durch ein gutes Netzwerk ergänzen, bieten E-Books jungen Autoren eine ideale Ausgangsbasis, um sich einen Namen und einen Marktwert zu schaffen, auch gegenüber Großverlagen. Trotz alledem werden durch die E-Books die traditionellen Verlagsaufgaben nicht überflüssig, wie beispielsweise eine Vorfinanzierung eines Projektes.

iRights.info: Was bremst sonst noch die Entwicklung des E-Book-Marktes?

Friedel Muders: Ein Hemmnis sehen wir im Kopierschutz. Das kennen wir aus der Musikbranche, wo das MP3-Hören anfangs auch nicht so komfortabel war wie heute. Digital Rights Management machte den Nutzern das Leben schwer: Was auf Apple-Geräten lief, konnte man auf den Playern anderer Hersteller nicht nutzen und umgekehrt. Ähnliche Probleme beobachten wir heute im E-Book-Sektor: Ein Amazon-Kindle-E-Book lässt sich nicht auf einem Tolino lesen und umgekehrt. Rückblickend können wir aus unserer Erfahrung heraus sagen, dass mit dem Wegfall des Kopierschutzes bei Musik ein wirklicher Umsatzboom und die Akzeptanz der digitalen Form einsetzte.

Sehr zeitaufwendig ist außerdem die E-Book-Programmierung beziehungsweise Formatierung – Fuego schenkt dem Layout und der Gestaltung sehr hohe Aufmerksamkeit. Bei den Readern besteht das Problem, dass die E-Books auf jedem Lesegerät anders aussehen – vergleichbar mit den Problemen, die man vor zehn Jahren mit den unterschiedlichen Web-Browsern hatte. Viele Mitbewerber legen hier kaum Ansprüche an, doch wir sind nun einmal Designer und gehen davon aus, dass der Leser und Kunde ein Empfinden für gestalterische Qualität hat, auch wenn dies oft unbewusst ist.

Test eines E-Book-Manuskript auf gebräuchlichen Lesegeräten. Abbildung: Fuego
Test eines E-Book-Manuskripts auf gebräuchlichen Lesegeräten. Abbildung: Fuego

Schwierig ist das Geschäft mit Texten aus fremdsprachigen Ländern und deren Erstübersetzungen. Wir haben zwar einige US-Autoren veröffentlicht, bei denen die Übersetzungen von früheren Papierausgaben schon vorlagen und wir die Übersetzer, deren Arbeit wir sehr hoch einschätzen, mit der Hälfte der Autorenrechte an den Einnahmen der E-Books beteiligen. Aber den hohen Kosten der Übersetzung steht der zur Zeit wirklich kleine Marktanteil von E-Books gegenüber. Daher lassen sich solche Titel kaum realisieren.

iRights.info: Wie beurteilen Sie schlussendlich das  E-Book-Geschäft?

Friedel Muders: Letztendlich ist es mit den E-Books wie mit allen anderen Produkten im Kulturbereich: Es gibt keine eindeutige Kalkulation, die es erlaubt, im Vorfeld sicher abzuschätzen, ob ein Projekt wirtschaftlich sein wird oder nicht. Kulturarbeit – egal ob Musik, Filme, Literatur, Theater – ist immer von Begeisterung getragen, ist immer ein Risiko und auch immer auf eine gegenseitige Quersubventionierung der einzelnen Projekte angewiesen.

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