Musiker*innen unterschiedlicher Genres drücken immer wieder ihre Besorgnis über den Zustand unseres Heimatplaneten aus. Und das schon seit Jahrzehnten – wie zahlreiche Albencover zeigen.
Dass sich zur Zeit weltweit immer mehr Menschen um die Erde sorgen – die einzige, die wir haben – ist nicht zu übersehen. Und das ist auch gut so, denn Klimawandel, kriegerische Konflikte und Katastrophen setzen unserem Heimatplaneten massiv zu. Das sollte in diesem Stil auf keine Fall so weiter gehen, wir müssen unser Verhalten ändern und was tun.
Für Musiker*innen unterschiedlichster Genres scheint die Sorge um Mutter Erde immer wieder ein Thema, um sie mal mit Songs, mal mit ganzen Konzeptalben auszudrücken. Und weil diese globale Besorgnis im Grunde schon länger akut ist, hat sie die Popmusik generell, die ja gerne möglichst viele Menschen erreichen will, über die Jahrzehnte immer wieder aufgegriffen – und dementsprechend auch für die Cover visualisiert.
Als leidenschaftlichem Cover-Connaisseur fiel mir irgendwann eine Häufung des Motivs „Erdkugel“ bei Pop- und Rock-Alben auf. Ich begann, eine kleine Sammlung anzulegen, in die ich hier Einblick gebe. Vermutlich gibt es noch einige Erdball-Cover mehr, ich erhebe weder Anspruch auf Vollständigkeit noch darauf, die gelungensten oder überzeugendsten Exempel gefunden und ausgewählt zu haben. Es sind schlicht die, die mir vor die Augen fielen und die ich recherchierte. Gleichwohl finde ich manche äußerst eindrücklich, andere eher platt und etwas stillos – die ganz üblen zeige ich erst gar nicht.
Mit „Planet Earth“ legte Prince 2007 sowohl ein Album als auch den Albumtitelgebenden, gospelrockigen Song vor, in dem er sich um Mutter Erde sorgte: „Fifty years from now what will they say about us here? Did we care for the water and the fragile atmosphere?“ Der Track hat ein opulentes, geradezu theatralisches Finale mit einem seiner grandiosen Gitarrensoli. Das Albumcover ist für meinen Geschmack einen Tick zu knallbunt und zu poppig, ein kleines bisschen kitschig geraten. Und man könnte Prince als größenwahnsinnig ansehen – jetzt sieht er sich auch noch als Gott! Im Text appelliert er allerdings eher humanistisch daran, dass jeder Mensch ein Gewissen und eine Verantwortung für die gesamte Erde hat und sich in dem Sinne wie ein Gott fühlen und benehmen sollte – naja, so in etwa.
Und daher gehört dieses Cover – samt der (Picture-)CD selbst, passenderweise mit einem Foto der Erdkugel bedruckt – zu meinen Favoriten in dem Sinne, dass Motiv, Musik und Botschaft übereinstimmen. [Kürzlich veröffentlichte The Prince Estate, Nachlassverwalter des 2016 verstorbenen Prince, eine bisher nicht verfügbare Vinyl-Version von „Planet Earth“ ]
Von den weiteren Covern mit Erdkugel-Motiv überzeugen mich insbesondere das von „Elements of Life“ und das von „Lil Dicky“: Bei ersterem wird unser Planet auf vielen unterschiedlich farbigen Händen getragen, bei zweitem die Erde liebevoll umarmt, geherzt, getröstet – je nach dem, wie man es sieht – von einem nackten Mann (oder ist es Jesus? Oder ein Hippie auf einem LSD-Trip?)
Musikalisch könnten die beiden Alben jedoch kaum gegensätzlicher sein: Lil Dicky liefert mit dem 2019er Track „Earth“ belangloses Popgedudel, „Elements of Life“ hingegen ist das 2000 erschienene Masterpiece der House-Legende Louie Vega mit der Band Blaze. Mit einer riesigen und großartigen Besetzung verhandelt es die essenziellen, globalen Fragen der Menschheit, eben die die Elemente des Lebens. Die unablässig treibende, infektiös groovende Musik ist ein energiegeladener, mitreißender Salsa-Soul-Funk-Dance-House-Mix mit positive Vibrations und klarer Botschaft: dass sich die Erdbewohner*innen gefälligst zusammentun und um diesen Planeten kümmern, um ihn als lebenswert zu erhalten. In der Kombination kommt das optimistisch rüber, bringt die Tanzmuskeln in Rage und setzt Endorphine frei – und am Ende dieses Gesamtmusikwerks fühlt man sich vermutlich so, wie Prince es sich auch wünschte: bereit zum Handeln.
Dass die Menschheit es womöglich vergeigt und die Erde zugrunde richtet, das thematisiert Electric Powered Soul – ebenfalls musikalisch wie visuell. Die Band ist (aus meiner Sicht) zugleich Entdeckung wie große Hoffnung. Im Grunde ein All Star Collective aus hervorragenden Funk-, Rock- und Soul-Musikern rund um den Produzenten, Songwriter und Musiker V. Jeffrey Smith und den Schlagzeuger Howard Alper, das brillianten Funk-Rock-Reggae-Fusion spielt, oder eben, wie der Bandname besagt: Electric Powered Soul. Die Botschaft ihres 2018 erschienene Album-Titeltracks „World On Fire“ – der wie bei so vielen (schwarzen) Künstlern wohl als Reaktion auf die Trump-Präsidentschaft entstand – ist drastisch, so wie das Cover: Die Erde steht schon zur Hälfte in Flammen und beginnt zu verglühen … herrjeh. Aber drastisch muss heutzutage womöglich sein.
Der französische Electro-Musiker Jean-Michel Jarre sah die Erde schon in den Siebzigern verwesen, und ihr Totenkopfschädel zeigte sich, auf seinem 1976er Album „Oxygene“. Auf dem 2015 erschienenen Album „Rendezvous“ lässt er die Erde zumindest wieder – mir roten Lippen – etwas rufen …
Die Gefahr, dass vermeintliche Weltmachthaber und neue Waffenarten lebensbedrohlich am Schicksal der Erde zündeln, hatte die DDR-Band Karat schon in den 80er Jahren vertont. Unter dem Eindruck eines immer kälter werdenden kalten Kriegs und wachsender atomarer Bedrohung – und die scheint derzeit leider wieder aktueller zu werden – schrieben sie das Lied „Der Blaue Planet“, Titelsong des 1982er Albums.
Der Text von „Der blaue Planet“ drückte die Ängste und Gefahren bezüglich einer nuklearen Katastrophe aus, die im Zuge des damaligen Wettrüstens immer wahrscheinlicher erschien. Karat war auch in der Bundesrepublik erfolgreich und die Friedensbewegung war 1982 gerade auf ihrem Höhepunkt, und so kam eine von Teldec lizenzierte West-Version des Albums heraus, die aber interessanterweise ein anderes Covermotiv hatte. Aus meiner Sicht ist dessen grafische Umsetzung mit der Erde als Streichholzkopf überzeugender als die Version des Original-Covers, das beim staatlichen DDR-Label Amiga entstanden ist, auf dem die Erde im Anschnitt und mit glühender Erdspalte zu sehen ist.
So oder so ähnlich „lesen“ sich viele weitere Covermotive aus den vergangenen vier Jahrzehnten, wie von Chocolate Milk, Air Supply, Status Quo und anderen: Die Erde ist entweder in akuter Gefahr, im Klammergriff der Menschen, des Bösen, sie braucht Luft, Hilfe, Zuwendung. Oder sie verlangt nach den sorgsamen Händen der Menschheit.
In den Sechziger und Siebziger Jahren übernahmen einige Bands die Erde in ihren Namen, wie Earth & Fire, Rare Earth, Earth, Wind & Fire oder Manfred Manns Earthband und weitere.
Den Namen Earth, Wind & Fire wählte Gründer und Bandleader Maurice White aufgrund astrologischer Überlegungen, weil sein Sternzeichen (Schütze) diese drei der vier klassischen Elemente in sich trägt beziehungsweise ausdrückt. Eines der ersten Album von Earth, Wind & Fire („Another Time“) visualisiert auf dem Cover diese drei Elemente, auf einem weiteren („Open Our Eyes“) schwebt die Erdkugel über den Köpfen der Band.
Auch die Soul-Rock-Band Rare Earth erfüllte das Versprechen ihres Namens mit mehreren Covern mit Erdball-Motiv, etwa „One World“ (von 1971!)
Manfred Mann’s Earthband wählte diesen Namen, den Überlieferungen nach, um auszudrücken, wie „erdig“ ihre Musik klingt und gemeint ist, legte sich dann aber ein Logo mit Erdkugel zu. Beim Cover des Albums „Messin‘“ sieht man die Erde im Spiegel einer Art Gasmaske, vermutlich auf einem anderen Planeten.
Die Flucht ins All, zu anderen Planeten – beziehungsweise die Rückkehr zur Erde – ist auch eine beliebte Cover-Erzählung, ob nun bei Rockbands, wie dem Electric Light Orchestra, Rainbow oder Boston.
Oder bei AfroFuturisten, meist aus der Black Music-Szene. Beim Godfather des AfroFurismus, SunRa, konnte ich zwar kein Cover mit Erdkugel entdecken, bei seinen Covern dominierten eher Sonne, Planeten und Gestirne. Für ihn galt ja „Space is the Place“ . Dieses Mantra zitierten dann unter vielen anderen die Electro-Funker von Newcleus – ihr größter Hit hieß „Wiki Wiki Wiki“ – und riefen als Weltraumreisende das Ziel Erde aus („Destination Earth“).
Die New Yorker Agit-Hip-Hop-Propagandisten von Public Enemy zeichneten das Bild eines „Black Planet“ – dem Todesstern aus Star Wars nicht unähnlich – der die von weißer Vorherrschaft geknechtete Erde „bedroht“ oder besser gesagt befreit. Das heute legendäre und stilbildende Kollektiv legte damit einen der Grundsteine für ein radikales, schwarzes Selbstbewusstein – und das mit Schwarzpanther-starker musikalischer Power. Und sie schufen ein den Band-Namen symbolisierendes Logo – militant inszenierter Rapper im Fadenkreuz – das nach meinem Befinden zu einem der besten Pop-Symbole überhaupt gehört.
Eines der gestalterisch schönsten, weil kartografisch angehauchten und handgezeichneten Erdkugel-Cover ist das von der Americana-Band Sugar Lime Blue für ihr Album „Move That Earth“. Es widmet sich wohl den Eisenbahnen und Dampfschiffen, die einst die Erde im übertragenen Sinne „bewegten“.
Und eines der poetischsten Erdkugel-Cover in meiner kleinen Sammlung ist das von „Islands“ von R3HAB & KSHMR. Die Inseln (oder Kontinente) der Erde als ein Paar in einer tektonischen Liebesbeziehung, sie scheinen auseinander zu driften … hach!