Gestern öffnete Apple seinen „AppStore“, ein Online-Geschäft für Programme und Spiele für das Mac OS Betriebssystem.
In seiner jetzigen, allerersten Fassung ist der AppStore jedoch leider nur ein AppKiosk: Meist unbefriedigende Produktpräsentationen, funktional mangelhaft und mit vielen offenen Fragen bezüglich der Handhabung.
Neu und bemerkenswert sind generell zwei Merkmale:
Erstens ist der AppStore selbst ein Programm, eine eigenständige Anwendung, funktioniert also
ohne Internet-Browser – welche ja bei so gut wie jeden Online-Shop die Basis sind. Eine der wenigen Ausnahmen war seit Jahren Apples „iTunesStore“, der in das Musik-Programm „iTunes“ eingebettet ist.
Weist Apple also mit der Ent-Browserung des Online-Shoppings einen Weg für den Online-Handel – zumindest sich selbst? Immerhin ist der eigentliche „Apple Store“, in dem man Hardware, Zubehör und Software – nicht nur von Apple – aussucht und kauft, nach wie vor ein Browser-Store.
Zweitens schaltet sich der AppStore praktisch in die Wartung des persönlichen Software-Bestandes ein: So läuft die Installation des gekauften Programms, Werkzeugs oder Spiels komplett autonom und im Hintergrund ab – wie man es mittlerweile vom iPhone kennt. Und bei Aktualisierungen der jeweiligen Programme (Upates oder Upgrades) meldet dies der Store und wickelt auf „Klick“ die entsprechende Erneuerung ab, ebenso im Hintergrund. Letzteres gab es bisher nur für Apple-eigene Programme sowie Bestandteile des Mac OS Betriebssystems über die „Softwareaktualisierung“. Die Einbettung von Nicht-Apple-Programmen in das Wartungs-Management bringt Bequemlichkeit für die Nutzer, ebenso wie für die vielen Hersteller. Dies dürfte zweifelsfrei wegweisend sein – sofern die gesamte Systematik dahinter technisch gut funktioniert und diese auch sonst das Vertrauen aller Beteiligten geniesst.
Wieder einmal könnte sich Apple mit diesem AppStore als „Markttreiber“ beweisen und eine ganze Branche mitziehen, wie es mit iPod, iTunes, iPhone und iPad bereits der Fall war und ist. Die Frage ist, ob der AppStore wirklich das Zeug dazu hat.
Nach ersten Tests und Testkäufen in den vergangen 20 Stunden wage ich eine erste Bilanz
POSITIVLISTE:
- Gut eingebettet: Die Platzierung des AppStore im zentralen, immer verfügbaren „Apfel-Menü“, direkt unter der „Software-Aktualisierung“ ist ideal.
- Schank und schnell: Der AppStore startet rasant und baut sich flink auf, die Zugriffe gehen rasant – selbt bei einer mobilen GS;-Verbindung im Zug ;-)
- Einfach und klar: Wie von Apple gewohnt und zu erwarten gewesen, ist der Store übersichtlich, sieht aufgeräumt aus und ist sehr zugänglich.
- Elegant und bequem: Anmeldung, Kauf und „Installation“ von Software laufen denkbar reibungslos, wie von Apples Online-Stores gewohnt; es rutscht und flutscht im Hintergrund, kurz darauf kann das Benutzen beginnen
- Hübsche Spielereien: Für die Installation fliegt das Programmsymbol aus dem Store-Fenster über den Bildschirm in die „Dock-Leiste“, dort ist dann im Programm-Symbol (Icon) ein kleiner Balken zu sehen, der sich mit dem Installationsfortschritt langsam füllt
ZWEISPALTLISTE:
- Löchrige App-Erkennung: Der AppStore erkennt beim Start automatisch, welche Programme bereits auf dem persönlichen Rechner vorhanden sind und markiert diese dann bei der Anzeige im Store als „Installiert“ – EIGENTLICH. Bei den Apple-eigenen Programmen auf jeden Fall, bei vielen anderen nicht, etwa bei Evernote, RapidWeaver und Delicious Library. Wie sich zeigt, müssen diese Programme wohl selbst dafür sorgen, dass sie der AppStore erkennt. Denn nachdem ich neueste Versionen dieser Programme installierte (innerhalb dieser Programme) und dann den AppStore neu startete, funktionierte die Erkennung. Hier wäre eine verlässlichere Verknüpfung wünschenswert, oder dass man als Nutzer und Besitzer von Programmen diese Verknüpfung gegebenenfalls manuell auslösen kann (ähnlich wie der häufige Menübefehl „Nach Aktualisierungen suchen …“ ein „Mit AppStore verknüpfen …“)
- Überflüssiger Menüpunkt Softwareaktualisierung: Da Apple ja seine Anwendungsprogramme in den AppStore integriert hat, liessen sich auch die Betriebssystem-nahen Software-Aktualisierungen innerhalb dieser Umgebung abwickeln – so bräuchte ich nicht zwei verschiedene „Routinen“ und „Fenster“ dafür öffnen.
NEGATIVLISTE:
- Keine Bildschirmfüllende Darstellung: Damit hat Apple doch gerade selbst angefangen, etwa bei „iPhoto“. Und so großartig, wie das Foto-Programm die Bildschirmfläche bespielt – inklusive der entsprechenden Werkzeugleisten und Service-Integrationen (Fotos per E-Mail senden und ähnliches) – könnte dies doch auch der AppStore. Und das Fenster des Stores sieht ja im oberen Teil, bei den Buttons, auch so aus. Wieso also gibt es die Funktion „Bildschirmfüllende Darstellung“ (noch) nicht?
Negativ: Icons wie beim aktuellen „iPhoto“, aber dennoch keine bildschirmfüllende Darstellung möglich
- Keine Einstellungen. Die „Einstellungen“ (Preferences) fehlen, und das ist nun vollkommen ungewohnt von Apple. Das eine oder andere konfigurieren will man als Nutzer doch immer, ob nun bei den Darstellungen oder hinsichtlich bestimmter „Präferenzen“. Auch dieses Defizit verstehe ich nicht.
Negativ: Keine Einstellungen (Preferences) möglich
- Keine Wunschliste: Bekannt und bleibt aus dem iTunesStore, um sich bestimmte Produkte zu merken oder, wie etwa bei Amazon üblich, seine Wünsche auch anderen zugänglich zu machen. Offenbar soll man sich Programm oder Spiele nicht wünschen sondern gleich kaufen oder gleich wieder vergessen.
Negativ: Der AppStore (linkes Bild) bietet keine Wunschliste, wie man sie vom iTunesStore (rechtes Bild) kennt
- Dürftige Präsentation der Produkte: Dies ist der fatalste Mangel des AppStores, der ihn zu einem Kiosk degradiert. In vielen Fällen gibt es zu dem Produkt nur eine Abbildung zu sehen, einen Screenshot oder eine werberische Bildcollage. Häufig sind es zwar mehrere Screenshots, im Durchschnitt etwa fünf, die man – ähnlich wie bei iPhone-/iPad-Apps – schnell durchklicken kann. Doch auch dies reicht bei vielen Programmen einfach nicht aus. Dabei fertigen doch fast alle Software- und Spiele-Hersteller mittlerweile Trailer oder Screencasts an; letztere mit entsprechenden Audio-Erklärungen aus dem Off zu den wichtigsten Funktionen und Handhabungen des Programms. Wo sind also diese Videos? Gerade Apple versteht sich doch nun wirklich auf die Integration von Videos: Im iTunes-Store mit Previews auf Filme und Musikvideos, im Apple Store mit Einbindung der Werbespots, und sogar in den Systemeinstellungen, wo Kurzfilme die Handhabung von „Magic Mouse“ und „Magic Trackpad“ erläutern. Wieso Apple ausgerechnet im AppStore auf Videos als Produkt-Erläuterung verzichtet, erschliesst sich mir überhaupt nicht. Das macht den Store zum Kiosk. In einer Buchhandlung (einem Store) kann ich in Büchern blättern, lesen, schnuppern – bei einem Kiosk sehe ich sie nur in der Scheibe oder hinterm Verkäufer.
Sehr negativ: Produktpräsentationen sind dürftig, ohne Videos, oft nur mit maximal fünf Screenshots oder nur einem Bild
FAZIT:
Wie so häufig bei Apple-Innovationen hat auch der AppStore den Effekt, dass man nach kurzer Zeit auf keinen Fall mehr zurück will in das vorherige Gebahren der viel mühsameren, diversifizierten Programme-Auswahl und -Pflege. Das Store-Konzept packt einen bei der Bequemlichkeit, und das insgesamt überzeugend genug, um es für sich selbst zu adaptieren. Doch wie ebenfalls häufig, spielt wohl frühestens die VERSION 2 – wann auch immer uns diese erreicht – die Stärken dieses Konzepts voll aus.
Dass der AppStore zu seinem Start mit rund 1000 Produkten eine vergleichsweise dünne Auswahl bietet, stößt mir überhaupt nicht auf. Das wird schnell wachsen. Aber dass Apple die Anbieter nicht zu besserer Produktpräsentation antreibt, Videos und Screencasts einfordert und damit auch in diesem AppStore derartige Standards setzt, wie man sie von Apple kennt und erwartet, enttäuscht meiner Ansicht nach am meisten.
Den Komfort hinsichtlich „Wunschliste“ und besserer Verknüpfung der im persönlichen Bestand befindlichen Programme bessert Apple vermutlich bald nach, ebenso die Erweiterung der Funktionalitäten, etwa bei den „Einstellungen“ und der bildschirmfüllenden Darstellung.
Ob Apple mit diesem AppKiosk tatsächlich den Weg in die schrittweise Abkopplung vom Browser vornimmt, der damit weiter an Bedeutung für den Zugang zum Internet verlöre, scheint mir nicht ausgemacht, aber doch sehr wahrscheinlich. Sobald der AppKiosk in seiner zweiten oder dritten Generation ein echter AppStore ist und dann die bekannten Sog- und Nachahmungs-Effekte auftreten, hat das massive Auswirkungen, vor allem auf die Internet-Nutzung der nahen Zukunft.
Ich prophezeie also schon mal, dass 2015 die Mehrheit der umsatzstarken Online-Shops nicht mehr Browser-basiert arbeitet, sondern als eigenständige App.