620.000 Schriftmuster – in einer App

Eigentlich müsste es einen riesigen Schatten werfen – so voluminös ist das „Fontbook“ in seiner neuesten, nein, allerneuesten Ausgabe. Doch trotz der unvorstellbaren Menge von 620.000 Schriftmustern, die etwa 20 der bisherigen „Fontbooks“ füllen würden, wirft das neue Standardwerk der Schriftkultur überhaupt keinen „realen“ Schatten. Denn es erscheint ausschliesslich als immaterielle Version, genauer gesagt als „App“ für das iPad; also nur digital. [AppStore-Link: http://itunes.apple.com/de/app/id448250130?mt=8]

„Kein anderes Buchformat profitiert mehr von der Digitalisierung als das Nachschlagewerk,“ sagt Jürgen Siebert, FontShop-Vorstand und FontBook- Mitherausgeber in einer heute herausgegebenen Pressemitteilung. „Nie zuvor konnten wir derart viele Informationen und Abbildungen zu den zehntausenden ausgewählten Schriften liefern, noch dazu schneller und aktueller als je zuvor.“

Als Datenbank-basierte „Tablet-Anwendung“ unterliegt das Werk im Prinzip keiner Volumenbeschränkung und erspart damit auch aufwändige Vertriebs- und Auslieferungs-Prozesse, die ja auch ordentlich Transportgebühren kosteten. Immerhin bringt ein gedrucktes Fontbook rund 5 Kilo auf die Waage (hier die 2006er Ausgabe).

Dazu bietet eine reine Software-Version einer solchen Schriften-Enzyklopädie den Vorteil der permanenten Erweiterung und Optimierung. „Neu erschienene Fonts können jederzeit in die App einfließen, ebenso redaktionelle Querverweise und Korrekturen“, heißt es dazu in der Pressemitteilung des Fontshop. Um sich in den Schriftmuster-„Atlas“ hinein zu bewegen, können sich die Benutzer für eine der fünf Recherche-Pfade Schriftstil, -name, -designer, -hersteller und Entwurfsjahr entscheiden. Alternativ ist auch eine Textsuche nach Fontfamilie, Designer oder Foundry möglich.

Über die sieben traditionellen Schriftklassen Serif, Sans, Slab, Script, Blackletter, Display und Pi & Symbols bietet das digitale FontBook insgesamt 35 Kategorien, weil die Redaktion jede der sieben Klassen in fünf weitere Unterklassen aufschlüsselte. „Für diese Aufgabe konnte die FontBook-Redaktion die Saarbrücker Schrifthistorikerin Prof. Indra Kupferschmid gewinnen, während die international renommierten Typografen Stephen Coles und Yves Peters wieder die stilistischen Querverweise betreuten“, informiert der Fontshop.

Es sieht also ganz danach aus, dass das Fontbook als App-Version eine völlig neue Dimension für Gestalter, Designer, Typografen und andere  „Schriftgelehrte“ eröffnet. Und in Anbetracht der Tatsache, dass die gedruckte Version bislang mit rund 100,- Euro „zu Buche schlug“, ist der angekündigte Preis für die App von 4,99 Euro als geradezu „Aufsehen erregend“ zu bewerten. Denn dieser App-Preis entspricht einem Zwanzigstel des bisherigen Buch-Preises – bei gleichzeitiger Verzwanzigfachung des bislang gedruckten Umfangs. Das scheint konsequente Nutzer-Orientierung, weil ja Fertigungs- und Vertriebskosten enorm zusammenschrumpfen, während die potenziell erreichbare Zielgruppe – Millionen und Abermillionen von iOS-Nutzern – enorm angeschwollen ist. Erst recht, weil bei einem Preis diesseits der 5 Euro-Grenze weit mehr zu einem Kauf des Kompendiums tendieren werden, als die klassische Käufergruppe der professionell Schriften-Interessierten.

Es bleibt gewiss abzuwarten, wie gut sich die Fontbook-App in der iPad-Praxis macht, gerade bei den Profis; in welchen Benutzungs-Details sich das digitale „Search and Browse“ vielleicht doch noch dem analogen „Blättern“ als unterlegen erweisen mag. Doch allein die vom Fontshop angekündigten Parameter dieses vollkommen neuen Fontbooks geben Anlass genug, doch von einem großen, „virtuellen“ Schatten zu sprechen, der dem Verkaufsstart am Donnerstag, den 21.7.2011 vorausgeht.

Screenshots: Fontshop

Update (21.7.2011, 17 Uhr): Eine etwas ausführliche Beschreibung der FontBookApp liefert Fontshop-Vorstand Jürgen Siebert hier  in seinem Fontblog

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