Seeed: Stringente Abstraktion des Schriftzuges bekommt Symbol-Kraft

Mit der Veröffentlichung des neuen, schlicht nach ihrem Bandnamen Seeed betitelten Albums lassen die Berliner Breitwand-„Dänz“-Musik-Experten auch ein erneuertes Bandlogo vom Stapel.

Und weil die beinahe konstruktivistische Umsetzung der fünf Buchstaben etwas sehr „Zeichen“-haftes hat, gebührt diesem neuen Logo die Aufmerksamkeit der hier betriebenen, angewandten Pop-Symbole-Forschung.

Lesbar ist er schon noch, der Kunst-Begriff Seeed – das Wort gibt es nicht; aber in einem Song des im übrigen guten Albums heisst es kurz „Seeed im Duden“ oder so ähnlich – aber man kann die fetten Balken auch anders interpretieren. Etwa als Vollausschläge auf einer digitalen Leucht-Anzeige für Lautstärke oder, bei Seeed wohl eher, fette Bässe. Mich erinnert die Stilisierung der Buchstaben zu Balken – primär wegen Balkenstärke und Proportionen – ein wenig an das bekannte Logo der Nine Inch Nails; und das ist jetzt keineswegs ein Fingerzeig auf eine vermeintliche Nachahmung sondern lediglich meine Assoziation; insofern positiv gemeint.

Wie bei diesem Logo mit dem spiegelverkehrten „N“ nimmt sich auch das neue Seeed-Logo die künstlerische Freiheit des Weglassens von Linien, das macht es gleichwohl stringenter und vor allem auffälliger, einprägsamer. Die Vereinfachung und geometrisch strenge Abstraktion der 13 einzelnen Elemente, wenn man die Krone mitrechnet, eignet sich aber in jedem Fall besser zum Sprayen mit Schablone – einem der fünf wichtigen Kriterien für ein gutes, gebrauchsfähiges Pop-Symbol.

Beim Favicon für den Browserleisten beschränkt sich Seeed dann auf zwei Einkelbalken reduzierte „S“, in der „Weiss-auf-Schwarz“-Variante allerdings grenzwertig, womöglich würde die Schwarz-auf-Weiss-Version hier besser funktionieren.

Als Twitter-Icon wiederum kommt das „E“ zum Einsatz, also die drei Balken, plus Krone, in Weiss-auf-Rot:

Mit der neuen, ja, irgendwie schon „Bauhaus“-inspirierten Schöpfung (gemeint ist das Designer-Kollektiv Bauhaus, nicht die Avantgarde-Band Bauhaus und schon gar nicht der Baumarkt), arbeitet Seeed erst seit ein paar Wochen. Das balkige Logo debütierte mit der ersten Single-Auskopplung „Beautiful“ und einem Banner (schwarzweiss):

Ob die Band damit nur für dieses Album arbeitet oder das angestammte, über zehn Jahre benutzte Band-Logo endgültig in Rente schickt, wird die Zukunft zeigen.

Der perspektivische Schriftzug erfuhr im Laufe der Zeit nur diskrete Veränderungen, etwa die Glättung der Buchstabe oder die Ergänzung mit den Silhouetten der 11 Musiker zwischen zwei Boxen …

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… wobei die Boxen eigentlich dem Ur-Logo aus den ersten Jahren entnommen waren (mit den noch kantigen Buchstaben):

Später dann auch mit einer Art Korona, hier kam schon „Rot“ als Signalfarbe zum Einsatz:

In einer Variante als Emblem, meist für Fan-Artikel, tauchte dann in einer Verzierung rund um den Schriftzug oben der Berliner Bär und unten der Heimatort BERLIN mit auf:

Ohne etwas betrauern oder gar vorwegnehmen zu wollen, vielleicht einfach nur als Revue und womöglich vorauseilendes Gedenken an das Ur-Logo hier eine kleine Collage seiner Entwicklung, in der Reihenfolge des Auftretens auf den Covern von Alben und Singles:

Das aktuelle, gleichfalls sehr stringente rot-weiss-schwarze Artwork von Rocket and Wink, Hamburg (Website-Umsetzung von Matthias Rendl, Berlin) – eine sehr kraftvolle Kombination, die unter vielen anderen auch die berühmte Rolling Stones-Zunge so prägnant macht – zieht sich dann durch Website, YouTube, Twitter und Facebook-Präsenz. Und überall entfaltet das neue Logo seine, aus meiner Sicht, hervorragend gelungene Symbol-Kraft. Auffällig, prägnant, originell und vor allem: FETT!

UPDATE: Die für das neue Logo und das komplette Artwork verantwortliche, bereits erwähnte Hamburger Agentur Rocket and Wink schickte mir den Link zu nachfolgendem Video. Es inszeniert das auf drei Balken plus Krone reduzierte Seeed-Icon als Wald-und-Nebel-Aktion und zudem – Überraschung! – als „Kooperation“ mit der Bremer Biermarke Beck’s. Offenbar gibt es eine „Beck’s Art Label Edition“, und für die 2012er Version stellt also Seeed das Etikett, siehe hier auch Fotos von Flasche, Sixpack-Verpackung und Plakaten (auf der Webseite von Rocket and Wink). Kuriose Cross-Promotion-Sache, finde ich, aber als Etikett auf so einer dunkelgrünen Pulle macht das rot-weisse Symbol gut was her. Das ebenso sehenswerte, auf spektakulär getrimmte, extrem gut fotografierte Video setzte der Hamburger Fotograf Paul Ripke in Szene, der häufig für die Musikbranche arbeitet. Schöne Sache, vor allem, weil es sehr selten ist – zumindest meinen bisherigen Forschungserkenntnissen nach – dass ein Pop-Symbol auf diese ART und Weise visualisiert, ja, dramatisiert wird.

NOCH’N UPDATE: Seeed-Musiker Frank Dellé hat auf seiner Facebook-Seite kürzlich nachfolgendes Foto gepostet: Umarmung eines weiblichen Fans mit sehr schönem Tattoo auf dem Rücken – des alten Seeed-Logos. Tragisch? Hm, naja, für das neue Logo wäre ja vielleicht darunter auch noch Platz … ;-)